Entschleunigung pur im schönsten Bergdorf des Kaukasus

Ein kleiner, unendlich entspannter Ruhepol weit weg von Allem:  das kleine Bergdorf Ushguli in Swanetien. Inmitten des wilden Kaukasus. Inklusive Blick auf den Schchara, den höchsten Berg Georgiens. 



Satellitenfernsehen im Schatten mittelalterlicher Wehrtürme

Angeblich ist es die höchstgelegene, dauerhaft bewohnte Ortschaft ganz Europas: Auf 2200 Metern Höhe liegt eingerahmt von den schneebedeckten Berggipfeln des großen Kaukasus das Bergdorf Ushguli. Ungefähr 250 Menschen leben hier. Im Schatten des höchsten Berges Georgiens. Der Schchara ist über 5000 Meter hoch und von fast jeder Stelle im Ort kann man ihn und das imposante Bergmassiv, das ihn umgibt, sehen. Vor dieser Kulisse wirken die kleinen, aus groben Steinen gebauten Häuser Ushgulis wie winzige Spielzeug-Modelle. Sie klammern sich regelrecht an den Hügel, auf dem sie stehen. Das Postkarten-Motiv perfekt machen dann die massiven, steinernen Wehrtürme aus dem Mittelalter, die zwischen den Häusern in den Himmel ragen.

Ushguli ist nicht groß. Es ist also durchaus möglich den Ort innerhalb kürzester Zeit einmal komplett zu sehen. Dabei wirst du schnell merken: Ushguli versprüht einen unvergleichlichen, archaischen Charme. Hier und da hängt mal ein Stromkabel über der Straße. Und jedes der kleinen Häuser hat irgendwo eine, in dieser Kulisse befremdlich wirkende, Satellitenschüssel montiert. Trotzdem fühlt es sich an, als wäre hier die Zeit stehen geblieben. Nicht nur weil die engen Gassen zu schmal für Autos sind und die aus gestampftem Lehm und kaputtem Kopfsteinplaster bestehenden Straßen selbst für die trittsichersten Pferde eine Herausforderung sind. Vielleicht weil man im Zickzack um im Weg liegende Hunde Kühe herum laufen muss. Und natürlich auch wegen der mächtigen Wehrtürme, die das Bild der Ortschaft mehr prägen als alles andere.

 

Sie sind das Wahrzeichen Ushgulis und der ganzen Region Swanetien. Sie gehörten, und gehören bis heute, Familien, denen die Türme im Mittelalter als Zufluchtsort dienten: Wenn es Streit mit verfeindeten Sippen und Stämmen gab, suchten die Familien darin Schutz. Egal wie viele Kriege oder Lawinen in den letzten Jahrhunderten über das Dorf rollten: Die Wehrtürme blieben stehen. In einem der Türme  gibt es kleines, verstecktes Museum, von dem man wissen muss um es zu finden. Die meisten aber stehen in der Ortschaft herum, ohne dass irgendwer großes Aufheben um sie macht. Obwohl sie UNESCO-Weltkulturerbe sind. Die Wehrtürme sind einfach ein Teil von Ushguli: In ihren Vorhöfen liegt auch ganz gerne mal eine Kuh im Staub. Ob die weiß, dass sie da im Schatten eines über 1000 Jahre alten Gebäudes liegt?

 

Einserseits ist dieser unprätentiöse Umgang mit einem solchen architektonischen Meisterwerk super sympathisch (in jedem anderen europäischen Land hätte man einen Zaun drumherum gezogen und alle zehn Meter eine Infotafel angebracht), aber gleichzeitig hält sie so auch niemand vom Verfallen ab. Das Problem ist, dass die Familien in Ushguli es sich nicht leisten können die Türme in Stand zu halten. In diesem Fall könnten Touristen, und das Geld, das die Touristen mitbringen, die Rettung für die Türme sein.

 

Wenn man von der mühsamen Anreise absieht ist inzwischen eigentlich auch einiges an Infrastruktur vorhanden: Es gibt jede Menge Guesthouses - fast jede Familie im Ort bietet einfache ZImmer und georgische Hausmannskost an. Geführte Trips und Ausritte kann auch immer irgendwer organisieren. Und sogar eine kleine "Kneipe" gibt es. Oberhalb des Flusses Enguri, der vom nahegelegenen Schchara-Gletscher gespeist wird, kann man abends bei einem kalten Bier auf der Wiese sitzen und der Sonne beim Untergehen zusehen.

 

Die Zeit scheint hier still zu stehen. Autos sind keine zu hören. Ab und zu galoppiert ein junger Georgier auf einem Pferd vorbei. Vielleicht um eine der Touristinnen zu beeindrucken. Denn eilig hat es hier niemand. Und auch als Tourist fällt es einem leicht die Armbanduhr einfach mal nicht anzuziehen.

 

Neben absoluter Abgeschiedenheit und imposanter Natur inmitten des Kaukasus hat die kleine Ortschaft daher etwas zu bieten was sich ganz schlecht in Worte fassen lässt: Eine fast magische Atmosphäre der Entschleunigung und Ruhe. Vielleicht weil es in Ushguli so scheint, als würden das Mittelalter und das 21. Jahrhundert es schaffen hier parallel zu existieren.



Hundesitting am höchsten Berg Georgiens

Wanderung zum Fuß des Schchara

Schwierigkeit:        Leicht

Dauer:                     5 Stunden

Höhenmeter:         250 m

Ausgangspunkt:    Ushguli

Eine super schöne, entspannte Wanderung führt von Ushguli aus an den Fuß des Schchara. Das ist mit 5200m der höchste Berg Georgiens und einer der höchsten des großen Kaukasus. Wenn mal gerade nicht die Wolken an seinem Gipfel hängen, dann sieht man ihn sogar von Ushguli aus. Entsprechend schnell ist auch der Weg dorthin erklärt: Immer der Nase nach.

 

Es gibt keinen ausgeschilderten Weg und ab und zu verzweigen sich die Pfade, aber solange man den Schchara vor sich hat ist es eigentlich unmöglich falsch zu laufen. Beziehungsweise: Es gibt hier kein richtig und kein falsch. Von Ushguli aus also einfach in Richtung Berg laufen. Und immer mal wieder umschauen. Vielleicht hast du ja ein paar sabbernde Wander-Partner: Auf dem Weg aus Ushguli hinaus schloss sich uns an fast jeder Hausecke ein anderer Hund an, bis wir irgendwann von drei neugierigen und unternehmungslustigen Hunden begleitet wurden.

 

Der Weg führt zunächst durch einen ebenen Taleinschnitt immer entlang eines verästelten Flusses, dem Enguri, der sich aus dem Wasser des Schchara-Gletschers speist. Den solltest du sobald sich die Gelegenheit ergibt gleich am Anfang überqueren. Sodass er auf deiner linken Seite fließt. Je nach Wasserstand ist es später gar nicht mehr so leicht auf die richtige Seite zu wechseln. Nur noch mit viel Anlauf und guter Sprungtechnik.

 

Schließlich kommst du an's Basecamp des Schchara: Bergsteiger aus aller Welt, vor allem aber aus der Ukraine, zelten hier um zur Besteigung des 5000ers aufzubrechen. Von hier aus steigt dein Weg das erste Mal ein bisschen an, bis du auch schon bald am Rand des Schchara-Gletschers kommst.

 

Insgesamt dauert der Weg zum Gletscher am Fuß des Schchara 2 1/2 Stunden: Von hier hat man einen tollen Blick auf das Tal aus dem man aufgestiegen ist und durch das der Enguri in Richtung Ushguli fließt. Zurück geht es auf dem gleichen Weg. Wir trafen auf dem Rückweg noch auf den Neffen unserer Gastgeberin, der mit ein paar Freunden, georgischem Ziegenkäse und jede Menge Wodka im Gras saß und uns zu einem spontanen, alkoholhaltigen Picknick einlädt - inklusive georgischem Tanz und Gesang. Man muss sie einfach lieben die Georgier!



Kaukasische Cowboy-Soldaten oder Ushguli zu Pferd

Von Ushguli aus lassen sich außerdem tolle Reitausflüge unternehmen. Die meisten Gastgeber im Ort besitzen entweder selbst das ein oder andere Pferd oder der Nachbar hat eins. Einfach in der Unterkunft nachfragen. Auch unser Guide (der gleiche Kerl, der uns auch zum Vodka-Picknick eingeladen hat) musste sich vor dem Ausflug noch schnell ein paar Pferde im Ort zusammenleihen. Je nach Zeit und Lust kann man von Ushguli aus in alle Richtungen in den Kaukasus hinein reiten. Wir sind wegen aufziehenden Regens nur für eine Stunde auf den Zagari-Passes geritten und sind dann wieder umgedreht.

 

Dabei wurde uns auch klar, dass Pferde in diesem Teil Georgiens tatsächlich kein ungewöhnliches Fortbewgungsmittel sind. Auf dem Weg trafen wir zwei mit Kalaschnikows bewaffnete Männer, die hier im Grenzbereich zu Russland patroullieren. Auf Pferden. Und mit Kalaschnikows. Ein irrer Anblick, auf den wir - sagen wir mal - in den Bayrischen Voralpen wohl nicht einfach mit einem freundlichen Nicken reagiert hätten. Aber hier, in der imposanten Landschaft des wilden Kaukasus...

 

Auch wer nicht reiten kann, so wie ich, hat bei einer solchen Aktion seinen Spaß. Es ist immer ein Guide mit dabei, der die Pferde kennt und im Zweifel ein bisschen beim Lenken helfen kann. Nach hunderten Kilometer im Automatik-Allrad-Auto mit Servolenkung ist er Umstieg auf den vierfüßigen 1-PSler doch eine Umstellung. Aber wer gerne wandert oder einfach die Natur genießen will, für den ist ein solcher Ausritt eine tolle Art den Kaukasus mal aus einer anderen, schwankenderen, Perspektive wahr zu nehmen. Nur der Po, der tut nach einer Wanderung nicht so weh, wie nach einem stundenlangen Ritt auf dem Rücken eines Pferdes.



Anfahrt:

Um in das abgelegene Ushguli zu kommen, gibt es zwei Möglichkeiten:

 

Die "normale" Route ist die aus dem Westen kommende. Von Mestia aus führt eine Straße in ca. 45 Kilometern nach Ushguli. Fahrdauer: ungefähr 3 1/2 Stunden. Es fahren zwei Mal die Woche Minibusse nach Ushguli. Im Zentrum von Mestia findest du einen kleinen, aber auf Grund der vielen parkenden Autos, unübersehbaren Marschrutka-Platz. Einen echten Fahrplan gibt es, wie in Georgien üblich, nicht wirklich, ich will hier jetzt also keine Wochentage nennen, an denen dann aus irgendwelchen Gründen doch kein Bus fährt. Am besten fragst du bei deinem Gastgeber vor Ort nach Informationen. Die Straße von Mestia aus ist die ersten Kilometer asphaltiert und insgesamt (mit einem Geländewagen) einigermaßen gut befahrbar. Vielleicht ist also ein Mietwagen eine Idee? Die Gastgeber kennen in der Regel jemanden, der jemanden kennt, der tageweise Autos vermietet. Einfach fragen. Und immer handeln. Gerade im sehr touristischen Mestia sind die Preise teilweise utopisch.

 

Und dann gibt's da noch die "Abenteuer-Route". Die von Osten kommende Strecke ist länger, aber wenn man auf Nervenkitzel steht um Längen besser: Diese ca. 4 1/2 - stündige Fahrt war die mit Abstand Spektakulärste, Anspruchsvollste, Wahnwitzigste aber auch Schönste Fahrt, die wir in Georgien mit den Auto gemacht haben. Die Strecke beginnt in Lentekhi und ist zunächst einmal eben, aber völlig miserabel. Sie führt anfangs durch einige kleine Ortschaften. Hier könnte wenigstens noch jemand helfen wenn man sich in einem der Löcher in der Straße die Achse bricht. Später führt die Straße dann aber in's absolute Niemandsland. Außerdem wird sie zu einem Pfad auf dem ängstlichere Wanderer schon zu Fuß versucht sind Kletterausrüstung anzulegen. Der Weg führt über katastrophale Waldwege und entlang eines wunderschönen Flusses immer weiter in's Gebirge. In Serpentinen durchquert man Flussbetten und Furten bis man schließlich den höchsten Punkt erreicht: Den 2600 Meter hohen Zagari-Pass. Auch wenn man es von hier noch nicht sehen kann: Nur ein paar Kurven weiter liegt Ushguli idyllisch in einem Talkessel.

 

Achtung: Diese Strecke ist nur im Hochsommer befahrbar wenn hier kein Schnee liegt und selbst dann wirklich nur mit fahrerischem Können und leichtem Hang zum Wahnsinn. Dann aber ist diese Fahrt der absolute Knaller und ein echter Höhepunkt der ganze Reise! Es gibt nicht allzuviele Abzweigungen. Wenn man immer gerade aus fährt und sich an der einen größeren Brücke, auf die man kurz bevor es steiler wird, links hält, dann sollte man ankommen. Trotzdem würde ich diesen Weg NICHT ohne eine gute Karte und/oder ein Navigationssystem mit Offline-Karten fahren. Auf der gesamten Strecke ist uns kein einziges Auto entgegen gekommen. Wenn hier was passiert, dann dauert es eine Weile bis Hilfe kommt!




Unterkunft

Obwohl es nur ein kleines Dorf ist gibt es in Ushguli unendlich viele Unterkünfte. Schlendert man durch die Gassen der Ortschaft, sieht man an eigentlich jedem Häuschen ein Schild mit "Guesthouse" hängen. Wir haben uns spontan für das Guesthouse der Familie Charkvani entschlossen und waren total begeistert. Unser Zimmer war klein, aber gemütlich und vor allem mit Blick direkt auf die schneedeckte Kuppel des Schchara. Was würde ich dafür geben jeden Morgen einen solchen Ausblick zu haben... Morgens und abends gab es eine riesige Auswahl an Essen. Super lecker. Und jedes Mal viel zu viel. Einige Zutaten kamen frisch aus dem Garten von vor dem Haus. Direkt gegenüber befindet sich auch die einzige "Kneipe" dieses Teils von Ushguli. Hier kann man abends oberhalb des Flusses sitzen und bei einem Bier die Sonne untergehen sehen.

 


Weil es in Ushguli keine Straßen gibt, ist das Guesthouse nicht ganz einfach zu finden. Es befindet sich in dem Teil Ushgulis, der am nächsten am Schchara liegt. Und dort am unteren Ende der an einen Hügel gebauten Häuseransammlung. Am besten orientierst du dich an der "Kneipe" die man an den Sonnenschirmen und einer Art freien Wiesenfläche nahe des Flusses schon von oberhalb des Ortes sehen kann. Genau gegenüber befindet sich das Guesthouse. 

 


Willst du wissen welches für mich der schönste Ort in ganz Georgien ist? Mehr Georgien gibt's hier!


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